Presseinformation Berlin, 19. November 2009
Erste internationale Studie zur Wertewelt der Deutschen,
Deutsch-Türken und Türken
Auszüge
Die Meinungsforschungsinstitute INFO GmbH (Berlin) und Liljeberg Research International
Ltd. Sti. (Antalya/Türkei) haben erstmals eine internationale Vergleichsstudie zum Thema
deutsch-türkische Wertewelten durchgeführt und dazu insgesamt ca. 1.000 Personen
(jeweils ein Drittel Deutsche, türkischstämmige Personen mit Migrationshintergrund in
Deutschland und Türken in der Türkei) zu ihren Werten, ihren Lebenseinstellungen, ihrer
Religiosität und einigen Aspekten ihres Konsumverhaltens befragt.
Insgesamt leben in Deutschland gegenwärtig ca. 2,7 Millionen Menschen, die einen
türkischen Migrationshintergrund haben (in Folgenden „Türken in Deutschland“ (TiD)
genannt). Ca. 30% davon haben die deutsche Staatsangehörigkeit.
Grundgesamtheit für diese Studie waren ca. 69 Millionen deutschsprachige Personen in
Deutschland (ohne türkischstämmige Migranten), ca. 2 Millionen Türken in Deutschland
sowie ca. 52 Millionen Türken in der Türkei ab einem Alter von 15 Jahren.
Überdurchschnittlich häufig wohnen türkischstämmige Migranten in Nordrhein-Westfalen
(35% der Befragten), Baden-Württemberg (18%), Hessen (9%) und Berlin (8%).
Das statistische Fehlerintervall in den einzelnen Teilgruppen liegt jeweils zwischen +/- 3,7 bis
+/- 5,4 Prozentpunkten (je nach Anteilswert).
Im Folgenden einige Kernergebnisse dieser Studie:
Strukturdaten
36% der befragten TiD sind jünger als 30 Jahre, das Durchschnittsalter entspricht mit knapp
38 Jahren dem der Bevölkerung in der Türkei. Die befragten Deutschen waren in Schnitt 10
Jahre älter.
Immerhin 34% der befragten TiD haben ein Abitur oder sogar studiert, bei den Deutschen
sind es 37%, in der Türkei nur 29%. Insgesamt 57% haben ihren höchsten Schulabschluss in
der Türkei gemacht, bei den unter 30-jährigen sind es nur noch 15%.
Die Hälfte der TiD (51%) ist voll oder teilweise berufstätig, stark überrepräsentiert sind dabei
jedoch ungelernte oder angelernte Tätigkeiten (25% der Befragten). Das sind deutlich mehr
als bei den Deutschen (5%) und in der Türkei (19%). Die Anteile Arbeitsloser sind in allen
drei Stichproben ähnlich, allerdings geben 20% der TiD und 39% in der Türkei an, Hausfrau
oder Hausmann zu sein. Vorwiegend handelt es sich dabei um Frauen.
Die deutsch-türkischen Haushalte sind mit durchschnittlich 3,5 Personen deutlich größer als
die deutschen Haushalte (2,6 Personen), aber kleiner als die Haushalte in der Türkei (4,8
Personen).
Ein Drittel der TiD lebt im eigenen Wohneigentum, bei den deutschen Haushalten sind es
53%, bei den türkischen sogar 73%. Das Einkommen der TiD-Haushalte ist etwas niedriger
als das deutscher Haushalte, die finanzielle Lage wird jeweils von der Hälfte der Befragten
als sehr gut oder gut beurteilt, eine Verschlechterung in den nächsten 2 Jahren erwarten
jeweils ca. 20%.
Sprache
58% der TiD beurteilen ihre deutschen Sprachkenntnisse als sehr gut oder gut (78% der
unter 30-jährigen).
Dennoch sprechen nur 16% zu Hause überwiegend Deutsch, immerhin 35% meinen, besser
Deutsch als Türkisch zu sprechen.
Allerdings mussten mehr als zwei Drittel der Interviews zumindest teilweise in türkischer
Sprache geführt werden.
76% der TiD sagen, dass sie keine Sprachschwierigkeiten beim Einkaufen hätten, bei 70%
ist die Verständigung mit Nachbarn und Kollegen problemlos. Immerhin 57% berichten über
zumindest geringe Probleme beim Ausfüllen von amtlichen Formularen, 43% beim Ansehen
von deutschen Fernsehfilmen und 46% bei Gesprächen auf Ämtern und Behörden.
Deutschland und Heimat
30% der TiD wurden in Deutschland geboren (62% der 15- bis 29-Jährigen), 31% leben
schon seit mindestens 30 Jahren in Deutschland. Dennoch betrachten nur 21% eher
Deutschland als Heimat, 38% empfinden Deutschland und die Türkei gleichermaßen als
Heimat und 37% eher die Türkei. 4% der Befragten empfinden keines der Länder als Heimat.
Aufenthaltsdauer
Vor diesem Hintergrund planen immerhin 42% eine Rückkehr in die Türkei, allerdings nur 4%
in den nächsten 2 Jahren und weitere 9% in den nächsten 10 Jahren. Junge Leute wollen
insgesamt häufiger „zurück“ (42%) als ältere (24%).
Die überwiegende Mehrheit der TiD ist nach wie vor davon überzeugt, dass es richtig war,
nach Deutschland zu kommen und dass es in diesem weltoffenen Land jeder unabhängig
von der Herkunft zu etwas bringen kann. Für 85% ist klar, dass dabei nur die deutsche
Sprache zum Erfolg führen kann.
Aber immerhin 82% meinen auch, dass die deutsche Gesellschaft stärker auf die
Gewohnheiten und Besonderheiten der türkischen Einwanderer Rücksicht nehmen sollte.
Für das Empfinden eines Lebens zwischen den Welten und ein durchaus problematisches
Verhältnis der Aufnahmegesellschaft zum Thema Integration spricht z.B. die Tatsache, dass
sich 62% der Befragten in Deutschland als Türke und in der Türkei als Deutscher fühlen.
45% fühlen sich in Deutschland unerwünscht, nur 54% glauben, dass Deutsche und Türken
in Deutschland die gleichen Bildungschancen haben. Lediglich 53% möchten ohne Abstriche
zur deutschen Gesellschaft dazugehören, weniger als die Hälfte fühlen sich in Deutschland
genauso akzeptiert wie ein Deutscher.
Allgemeine Wertvorstellungen
Nahezu keine unterschiedlichen Ansichten zwischen den drei untersuchten Gruppen gibt es
bei so grundlegenden Werten wie Freundschaft, Freiheit, Liebe, familiärer Zusammenhalt,
Entwicklung von Phantasie und Kreativität usw. Diese Werte sind jeweils fast allen Befragten
wichtig, unabhängig von der Herkunft. Das gleiche Bild findet sich bei den auch
grundrechtlich geschützten Werten wie Respekt gegenüber dem menschlichen Leben,
anderen Religionen und Kulturen, Frieden, Demokratie, Solidarität, Respektierung von
Gesetz und Ordnung, Gerechtigkeit, Pünktlichkeit, Ordnung und Rechtsstaatlichkeit, die
jeweils um 90% aller Befragten als wichtig beurteilen. Interessant ist hier, dass politisches
Engagement nur von 39% der Deutschen, aber von 50% der TiD und 52% der Türken als
wichtig bewertet wird.
Gravierende Unterschiede gibt es hingegen bei anderen Werten: Für 89% der TiD und 98%
der Türken ist es wichtig, an Gott zu glauben, von den Deutschen sagen dies nur 51%.
Macht und Einfluss sind für 31% der Deutschen wichtig, aber für 68% der TiD und 83% der
Türken. Tradition finden 65% der Deutschen wichtig, aber 83% der TiD und 90% der Türken.
Insgesamt ähneln die Antworten der TiD hier sehr stark denen der Türken in der Türkei.
Vertrauen in Behörden und Unternehmen
Die Deutschen vertrauen am meisten der deutschen Polizei (79%), deutschen Schulen und
Universitäten (69%) und der deutschen Justiz (68%), am wenigsten den Parteien (18%) und
deutschen Großkonzernen (26%). Bei den TiD ist lediglich das Vertrauen in die Polizei (64%)
und in die Bundeswehr (46%) etwas geringer als bei den Deutschen, ansonsten haben sie
ein deutlich stärkeres Vertrauen in deutsche Institutionen als die Deutschen selbst.
Im Gegenzug ist ihr Vertrauen in türkische Behörden und Institutionen geringer als bei den
Türken und auch geringer als ihr Vertrauen in die entsprechenden deutschen Stellen.
Einzige Ausnahme ist das türkische Militär; dem vertrauen knapp 80% der TiD (Bundeswehr
46%).
Rollenverständnis und Familie
Dramatische Unterschiede finden sich zwischen Deutschen und Türken hinsichtlich des
Rollenverständnisses in der Familie und der sexuellen Freiheit.
So meinen 9% der Deutschen, aber 32% der TiD und 52% der Türken, dass
Kindererziehung Frauensache sei. 15% der Deutschen, 57% der TiD und 67% der Türken
stimmen der Auffassung zu, dass berufstätige Frauen ihre Kinder vernachlässigen. 18% der
Deutschen, 41% der TiD und 62% der Türken sind der Auffassung, dass vor allem der Mann
die Familie nach außen repräsentiert.
Ein Zusammenleben von Mann und Frau vor der Ehe lehnen 8% der Deutschen, aber 47%
der TiD und 67% der Türken ab. Beim vorehelichen Sex der Frau sind es 7% der Deutschen,
56% der TiD und 84% der Türken. Die Jungfräulichkeit der Frau empfinden 6% der
Deutschen, aber 48% der TiD und 72% der Türken als Grundvoraussetzung für eine
Eheschließung.
Einstellungen zum Rollenverständnis von Mann und Frau I
Die Familie wird von 66% der Deutschen, aber von 84% der TiD und 88% der Türken bei
wichtigen Entscheidungen um Rat gefragt. 5% der Deutschen, aber 48% der TiD und 68%
der Türken sind der Meinung, dass die Eltern bei der Wahl des Ehepartners ein
Mitspracherecht haben sollten.
Einstellungen zu Familie I
In all diesen Aussagen offenbart sich auch bei den TiD das Fortleben eines tradierten
türkisch-islamischen Familien- und Rollenverständnisses, das von aktuellen deutschen
Vorstellungen weit entfernt ist. Sofern dies nicht in Beschränkungen der gesetzlich
zugesicherten Persönlichkeitsrechte (insbesondere der Frau) mündet, sollte darin auch kein
Problem bestehen. Allerdings befinden sich bei Türken und TiD die Frauen aufgrund ihrer
geringeren Berufstätigkeit eben recht häufig in einer faktischen Abhängigkeitssituation
gegenüber dem Mann.
Soziale und gesellschaftliche Toleranz
Für eine deutlich geringere Toleranz als in Deutschland üblich sprechen folgende
Ergebnisse:
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